Exerzierhalle
im Klenzepark Ingolstadt


Kunstverein Radolfzell e.V.
in der Villa Bosch

© Fotos: Joachim Hirling

  Joachim Hirling, Karlsruhe  
   
<zu den Installationen mit Papierarbeiten>  
   

Kurzbeschreibung des Aufbaus der Installation "Konfiguration Ingolstadt" von Joachim Hirling in der Ausstellung "Der Stand der Dinge" in Ingolstadt vom 01.07. bis 29.07.2001:

Es ist eine Installation mit Papierarbeiten in Form eines offenen Rechteckes, das einen an allen Ecken durchlässigen Raum bildet. Die Seitenlänge inklusive der offenen Ecken ist ca. sechs Meter. Jede Seite des Viereckes besteht aus 60 Blättern im Format DIN A4 - insgesamt 240 Blätter. Die einzelnen Seiten des offenen Rechteckes sind aus je drei Blöcken á 20 Blättern zusammengesetzt. Jeder Block besteht aus fünf Reihen mit je vier Blättern. - Jede Seite des Viereckes ist insgesamt etwa 1,80 Meter hoch und gut drei Meter breit. Die Seiten hängen an Schnüren frei im Raum.

Kurzbeschreibung des Aufbaus der Installation von Joachim Hirling in der Ausstellung "Orte Räume" im Kunstverein Radolfzell e.V. vom 31.08 bis 28.09.2001:

Es sind drei Installationen mit Papierarbeiten in Form von offenen Rechtecken, die einen an allen Ecken durchlässigen Raum bilden. Die Seitenlängen inklusive der offenen Ecken varieren ca. drei bis fünf Meter. Jede Seite der Rechtecke besteht - wie oben beschrieben auch aus Blöcken á 20 Blättern im Format DIN A4 - und ist je Block insgesamt etwa 1,80 Meter hoch und gut einen Meter breit. Die einzelnen Blöcke sind auch aus fünf Reihen zu vier Blättern zusammen-gesetzt. Die Seiten hängen enbso an Schnüren frei im Raum.

In der Ausstellung im Kunstverein Radolfzell e.V. sind es insgesamt 320 Blätter - größtenteils andere als in Ingolstadt. Die Installation im mittleren Raum des Erdgesosses besteht aus vier Blöcken, die eine Rautenfrom bilden. Die zwei Installationen im davon linken und rechten Raum des Erdgesosses bestehen aus sechs Blöcken, die je ein langes Rechteck bilden. An den Stirnseiten davon aus einem Block und an den jeweiligen Längsseiten aus zwei Blöcken gebildet.

Die einzelnen Blätter sind gemalt/gezeichnete Einzelbilder (>siehe Bildseiten der jeweiligen Ausstellung >kunst). Ihre Reihenfolge ist variabel. Von außen betrachtet zeigt ein offenes Rechteck die Rückseiten der Zeichnungen, von innen betrachtet die Vorderseiten. Je nach Lichtsituation erscheinen die Papierblätter mehr oder weniger transparent oder opak.

Auf den ersten Blick ergibt sich ein modulartig zusammenge-setztes Gebilde eines durchlässig eingefaßten Raumes. Erst das Zusammenkommen der einzelnen Seiten bildet diesen Raum. Meist ist er von einer leichten Bewegung durchzogen, bedingt durch den an Schnüren frei hängenden flexiblen Aufbau. Dieses leichte Wehen unterstützt seine temporäre Verortung.

Es handelt sich um eine grundsätzlich veränderbare Anordnung. Dies bezieht sich sowohl auf die Raumform, die Raumausdehnung und die Plazierung der einzelnen Bilder und nicht zuletzt auch auf den Ort des Aufbaus selbst. Dies bedeutet aber nicht Belibiegkeit, sondern im Gegenteil, es verdeutlicht ein adäquates Vorgehen auf eine jeweils ganz bestimmte Situation um hierfür zu einem optimalem Ergebnis zu kommen.

Dies gilt ebenso auch für die Zeichnungen selbst, die einzeln, als auch im wechselndem Zu- und Miteinander gesehen werden können. Es zeigt sich damit eine Sichtweise die mehrere Blickwinkel erfordert. Erst ein hin- und herzoomen in Zwischenschritten erschließt verschiedene Aspekte der Arbeit. Sowohl in Bezug auf seinen Gesamtkörper als auch auf seine individuellen Glieder, bzw. Module.

Die Installation lädt zu einer Annäherung von Außen und zu einem Hineingehen in das Innere ein, um die Wirkung der verschiedenen An- und Einsichten zu überprüfen.

Die Zeichnungen wirken durch die Aneinanderreihung auf eine Betrachtungsweise, wie einzelne Worte, die zu Sätzen zusammengefügt wurden. Es gibt dabei aber keine einzig gültige Lesart, wie von links nach rechts oder von oben nach unten, etc. - auch hier impliziert sich grundsätzlich eine andere Möglichkeit der Anordnung, welche wiederum zu anderen Informationen führen kann. Einzeln betrachtet bleiben die Blätter aber in sich selbstständige Bilder.

Für die Zeichnungen wurde hier Öl- oder Acrylfarbe verwendet. Sie sind meist abstrakt angelegt, teilweise sind sie Gegenständlich oder lassen sich zumindest so deuten. Entstanden sind sie im Verlauf seit den letzten Jahren, auch in der Auseinandersetzung mit chinesischer Kalligraphie und Malerei bei einem einjährigem Aufenthalt in Taiwan R.O.C. Diese Arbeitsreihe setzt sich weiterhin fort.

Einige Blätter befassen sich (vermehrt in Ingolstadt) z.B. mit "Der Fahrt zur Roten Wand" von Su Dong-Po (1036 - 1101), einem "Fu" - eine spezielle chinesische Gedichtform in der Prosa und Reimverse vorkommen - in welcher er über indivi-duelle Bedeutung, vergänglichem Sein und der Unendlichkeit philosophiert. (> Text "Fahrt zur Roten Wand")

Bei der Präsentation im Ensemble können, je nach Formation der Blätter, unterschiedliche Informationen entstehen, die den jeweiligen Ort inhaltlich anders prägen.

Spannend ist eine notwendige Differenzierung. - Ab wann und durch was, münden die Bedeutungsinhalte in eine andere Aussage. Vor allem, wenn berücksichtigt wird, daß auch die einzelnen Grundelemente immer wieder eine Neubewertung in ihrer Bedeutung erfahren können. Zudem - welche wahrnehmungsspezifischen Voraussetzungen liegen diesem zugrunde?

Hierzu sei auch eine Analogie von Prof. Dr. Walter Bisang (Universität Mainz) aus der Sprachforschung zitiert:

"Wir gehen von unabhängigen Lexemen im Diskurs aus, die zu syntaktischen Konstruktionen werden können. Einige Lexeme nehmen dabei eine grammatische Funktion an und können sich in einem nächsten Schritt der Morphologisierung von einer analytischen zu einer synthetischen Form weiterentwickeln, usf. Den Schluß der Entwicklung bildet das komplette verschwinden (Loss) einer Form. In seiner Arbeit von 1979 betrachtet Givon vor allem den Aspekt der Syntaktivizierung. (Diskurs > Syntax) Grammatikalisierung ist ein Problemlösungsverfahren, die Grammatikalisierung ist durch kognitive Prozesse motiviert. - Wo ist der Anfang der Grammatikalisierung und wo hört der Prozeß der Grammtikalisierung auf. Alte Konzepte werden zum Ausdruck neuer Konzepte verwendet."

- Nachfolgende Definitionen aus dem Internet, - Universität Erlangen und Universität Essen.

Lexem = Wortform, Type = Es ist die abstrakte Basiseinheit des Wörterbuches auf der Ebne der Language, welches in verschiedenen grammatischen Wortformen realisiert werden kann. Lexem = eine Wortform (token), ist die auf der Ebene der Parole konkret realisierte grammatische Form eines Lexems.
Morphem - Allomorph = Das Morphem ist das kleinste bedeutungstragende Element der Sprache. Morpheme sind ebenfalls abstrakte Einheiten auf der Ebene der Langue, welche durch Allomorphe realisiert werden. Ein Allomorph ist eine der konkreten Realisierungen desselben Morphems. -

Welchen Sinn etwas bekommt ist nicht von vornherein bestimmt, sondern ergibt sich aus seinen Zusammenhängen und deren Zuordnungen. Die Sinngebung funktioniert nur in Bezug auf eine spezifische Gegebenheit innerhalb ihrer Rahmenbedingungen. Sie ist auch abhängig von ihrer Anordnung in einer bestimmtem Raumsituation. Vor allem hängt sie vom Standpunkt der Betrachtung ab und verwandelt sich bei einem Platzwechsel. Eine Vermittlung dieser unterschiedlichen Sichtweisen kann nur im Dialog erfolgen.

Die einzelnen Blätter erscheinen zum Teil recht unterschiedlich, führen aber von einem subjektiv ganz konkretem Anlaß, der sie entstehen ließ, zu gedanklichen Reflexionen über die Wahrnehmung, und wandern in Zwischenbereiche von "Etwas" und "Nichts". Je nach dem, wie weit jemand gehen möchte und zu welchen Orten oder Unorten jemand gelangen möchte. Sie spiegeln eine breite Variation von Seinsmöglichkeiten, die als sinnlos oder sinnvoll wahrgenommen werden können.

Es eröffnet sich ein Wechselspiel der Orte und Räume von Innen nach Außen, was sowohl den Ort und Raum der Installation, als auch den des eigenen Selbst betrifft. Dies kann eine inspirierende Erfahrung sein. Im Erleben der Installation und des eigenen Selbst als etwas Teilhaftiges, nicht Vollkommenes, bietet auch diese Auseinandersetzung die Möglichkeit sein eigenes inneres Sein aufs Neue und für gewisse Zeit ergänzend zu konfigurieren.

Karlsruhe im Juni 2001

 
       
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